Wie die Arbeitgeber die Mitarbeitervertretungen ›aktiv‹ werden lassen
Unter dem wohlklingenden Titel ›Mitarbeiter aktiv vertreten‹ wird seit einiger Zeit ›Rechtssicheres Praxiswissen für die Mitarbeiter-vertretung in kirchlichen und sozialen Einrichtungen‹ angeboten – vom Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG. Welches Interesse hat ein Verlag der ›Deutschen Wirtschaft‹,also der Arbeitgeber, daran, dass Mitarbeiter aktiv vertreten werden?
Vielleicht hat der Verlag das banale Interesse, mit einer solchen Publikation (auch) Geld zu verdienen. Aber dahinter steckt weitaus mehr. Im vergangenen Jahr ist der Verlag an mehrere Rechtsanwälte herangetreten, die bekanntermaßen Mitarbeitervertretungen beraten und vertreten, um diese für die Redaktion dieses Blättchens zu gewinnen.
Dabei hat der Verlag dann auch die Katze aus dem Sack gelassen. Anders als es der Titel vermuten lässt, geht es gerade nicht darum, eine aktive Interessenvertretung zu fördern. Im Gegenteil ist es erklärtes Ziel des Verlags, die Mitarbeitervertretungen mit harmlosem Alltagswissen abzuspeisen. Mitarbeitervertretungen sollen sich gut informiert fühlen, damit sie die ernsthaften Fragen gar nicht erst stellen – und schon gar nicht mit Gewerkschaften zusammenarbeiten. Und die Befassung mit Oberflächlichkeiten gelingt den Machern dieses Blattes sehr gut. So wird in der JuliAusgabe der Umstand gefeiert, dass ein Betriebsrat neben der Internet-Nutzung auch ein Abonnement einer Fachzeitschrift erstritten hat. Natürlich ist die Geschäftsausstattung für die Arbeit von Betriebsrat und Mitarbeitervertretung von Bedeutung. Ja, manche MAV muss auch um solche Selbstverständlichkeiten kämpfen. Aber ist das als Erfolg der betrieblichen Interessenvertretung zu feiern – oder ist das nicht eher eine Peinlichkeit oder deutlicher eine schlichte Unverschämtheit eines Arbeitgebers? Man merkt die Absicht und ist verstimmt.
In der gleichen Ausgabe wird über die mit dem zweiten Mitarbeitervertretungsgesetz eingeführte Einigungsstelle berichtet und diese als stumpfes Schwert bezeichnet, weil es sie nur dort geben wird, wo Dienststellenleitung und MAV dies durch Dienstvereinbarung vereinbaren. Das ist nicht falsch. Aber richtig im Sinne aktiver Vertretung wäre es gewesen, Wege zur Durchsetzung einer solchen Dienstvereinbarung aufzuzeigen. Aber so aktiv sollen die MAVen dann bitte doch nicht werden.
Nachdem die arbeitnehmer- und MAV-orientierten Anwälte dem Verlag einen Korb gegeben haben, hat sich der Verlag eine Redakteurin gesucht, von der es in der Postille heißt, sie sei Expertin im kirchlichen Arbeitsrecht und setze sich tagtäglich für Mitglieder von Mitarbeitervertretungen ein. Nachdem wir diese Kollegin als Anwältin eines kirchlichen Arbeitgebers vor dem Kirchengericht erlebt haben, haben wir uns der Mühe unterzogen und deren Website besucht. Dort liest sich das dann schon ganz anders: ›Wir sind seit jeher für den Schulungsbedarf im Führungskräftebereich und im Bereich der Personalverantwortlichen mit folgenden Schwerpunktthemen tätig …‹
Jeder Anwalt übernimmt die Mandate, die zu ihm passen. Und es ist weder verboten noch unanständig, sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer oder deren Vertretungen zu vertreten. Aber es ist nicht anständig, unter falscher Flagge zu segeln. Schon garnicht, wenn man publizistisch tätig wird.
Bernhard Baumann-Czichon (aus Arbeitsrecht und Kirche 2/2014)