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Schwarze Schafe – weiße Westen

Kirchliche Sonderrechte ohne unangenehme Verpflichtungen – mit einer Gastmitgliedschaft im Diakonischen Werk sollte dies möglich sein. So glauben das zumindest einige Arbeitgeber.

Die Altenhilfe Sophienhaus gGmbH in Weimar wählte genau diesen Weg. So wurde 2009 der bestehende Betriebsrat aufgelöst und eine MAV gewählt. Da die Altenhilfe Sophienhaus gGmbH aber nur Gastmitglied ist, bezahlt sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nach AVR sondern nach einer „Arbeits- und Sozialordnung“ (ASO). Diese ASO wurde von der Geschäftsführung vorgegeben und liegt etwa 20 Prozent niedriger als die hier gültige AVR EKM.

Der Kirchengerichtshof der EKD hat jetzt festgestellt, dass die Altenhilfe Sophienhaus gGmbH keine kirchliche Einrichtung ist, da sie ja nur Gastmitglied im Diakonischen Werk ist (Az.: II-9-2015). Somit werden auch die Anforderungen des Paragrafen 1 MVG EKD nicht erfüllt und das MVG ist nicht anwendbar.

So wie 2009 der Betriebsrat-, wurde jetzt die MAV aufgelöst.

Die Altenhilfe Sophienhaus gGmbH ist jetzt also eine „ganz normale“ weltliche Einrichtung. Der Geschäftsführung steht es frei, die Vergütung selber festzulegen und den Beschäftigten steht es frei, eine Interessenvertretung – also einen Betriebsrat – zu wählen.

Die Geschäftsführung entwickelte jedoch einen anderen Plan um die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes zu verhindern und gleichzeitig die Vergütungshöhe selber zu bestimmen. Die bisherige MAV Vorsitzende wurde kurzfristig an einen anderen Arbeitsplatz in 30 Kilometer Entfernung versetzt. Am 21. Juni gab es eine Mitarbeiterinformation, dass die Altenhilfe Sophienhaus gGmbH mit der Saale-Neckar Diakonie gGmbH fusionieren wird.

Die Saale-Neckar Diakonie gGmbH ist Mitglied im Diakonischen Werk und ihre MAV soll für alle Beschäftigten beider Gesellschaften zuständig werden. Als Mitglied im Diakonischen Werk ist die Saale-Neckar Diakonie gGmbH verpflichtet die AVR anzuwenden.

So könnte man zu dem Schluss kommen, Ende gut, alles gut. Aber weit gefehlt. Unter Umgehung der Mitgliedspflichten im Diakonischen Werk wendet auch die Saale-Neckar Diakonie gGmbH seit Jahren nicht die AVR sondern nur die ASO an.

Die Geschäftsführung wählt frei aus: MVG statt BetrVG und ASO statt AVR. Sonderrechte nach eigenem Ermessen. Sanktionen des Diakonischen Werkes sind nicht zu befürchten. Der Verlust von Mitgliedsbeiträgen wäre zu schmerzhaft. Und so haben die Mitglieder im Diakonischen Werk ihre kirchlichen Sonderrechte, ohne dafür irgendeine Verpflichtung erfüllen zu müssen, solange sie nur ihre Mitgliedsbeiträge zahlen.

Verhandlungen auf Augenhöhe – nicht gewünscht, Verbindlichkeit des kirchlichen Arbeitsrechts – Fehlanzeige.

Dass die Kirche oder das Diakonische Werk hier etwas ändern werden ist nicht zu erwarten. Eine Einschränkung der Willkür wird es nur geben, wenn sich die Beschäftigten organisieren und wehren.