Die Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund der AGAPLESION gAG nimmt Stellung zur Ermöglichung der Beschlussfassung im Rahmen von VideoKonferenzen (Änderung MVG-EKD).
Sehr geehrte Herren Dr. Anke, Dr. Bedford-Strohm und Dr. Kruttschnitt,
die Konzern-Mitarbeitervertretung (Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund gem. § 6a MVG.EKD) des AGAPLESION Konzern hat den Entwurf für eine Gesetzesänderung zur Ermöglichung der Beschlussfassung im Rahmen von VideoKonferenzen zur Kenntnis genommen. Wir nehmen hierzu als Konzern-MAV des größten diakonischen Verbundes Stellung.
Wir erkennen an, dass aufgrund der durch die Corona-Pandemie hervorgerufenen Situation besondere Verfahrensweisen unvermeidbar sind. So waren ab Mitte März sowohl Präsenzsitzungen als auch Reisen – vor allem mit der Bahn – zu vermeiden.
Dieser besonderen Lage konnten die Mitarbeitervertretungen aufgrund der geltenden
Rechtslage entsprechen. Denn anders als das Betriebsverfassungsgesetz sieht das
MVG.EKD in § 26 Abs. 2 die Möglichkeit vor, Beschlüsse im Umlaufverfahren oder im Wege telefonischer Beschlussfassung zu fassen, sofern die jeweilige Geschäftsordnung dies vorgesehen hat.
Eine weitere Abkehr von der Beratung und Beschlussfassung im Rahmen von
Präsenzsitzungen ist aus unserer Sicht überflüssig. Schon nach geltendem Recht sind
Mitarbeitervertretungen in der Lage, Informationen – ohne Beschlussfassung – per
Videokonferenz auszutauschen. Da das MVG.EKD bereits heute eine Beschlussfassung ohne Präsenzsitzung zulässt, ist es nicht erforderlich, die befristete Regelung des BetrVG in § 129 nachzuvollziehen.
Der staatliche Gesetzgeber hat die Regelung in § 129 BetrVG befristet bis zum 31.12.2020. Die Regelung gilt daher nur für die erste Phase der Pandemie. Sie erfasst eine möglicherweise zum Herbst oder Winter einsetzende zweite Welle nicht. Dies macht den besonderen Ausnahmecharakter der Regelung deutlich. Das ist zu begrüßen, weil gegen die Möglichkeit der Beratung und Beschlussfassung im Rahmen von Videokonferenzen gewichtige Gründe sprechen:
- Die Kommunikation im Rahmen von Telefon- der Videokonferenzen ist gegenüber einer Präsenzsitzung erheblich eingeschränkt. Nonverbale Äußerungen werden nicht wahrgenommen. Der Diskussionsprozess wird bereits durch den technischen
Rahmen eingeschränkt. Die technische Vermittlung führt zu einer Verengung der
Wahrnehmung auf das Bild und den Ton. Zwischentöne und inhaltliche
Nuancierungen gehen unter. Die Gefahr von Missverständnissen ist groß. - Die nach § 22 MVG.EKD zu gewährleistende Geheimhaltung ist nicht
sicherzustellen. Es besteht weder die Möglichkeit, die Geheimhaltung auf
technischem Wege zu sichern noch durch soziale Kontrolle. - Die Beratung und Beschlussfassung vor allem komplexer Angelegenheiten per
Videokonferenz führt leicht zu einer Überforderung der Mitglieder der
Mitarbeitervertretung, die sich regelmäßig mit Angelegenheiten befassen müssen,
die nicht zu ihrem beruflichen Erfahrungswissen gehören, so dass eine besondere
Einarbeitung erforderlich ist.
Wir halten die geplante Gesetzesänderung nicht nur für schlicht überflüssig. Wir lehnen sie auch ab, weil
- durch den Gesetzesentwurf nicht der Ausnahmecharakter der Beschlussfassung per Videokonferenz zum Ausdruck kommt, so dass die Möglichkeit voraus-setzungslos geschaffen wird – unabhängig von der aktuellen Corona-bedingten
Einschränkungen, - der Gesetzesentwurf keine Befristung vorsieht.
Wir halten es zudem für unerträglich, dass wieder einmal eine normative Regelung, die
rund 600.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betrifft, geschaffen werden soll, ohne dass die gesetzlichen Vertretungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligt werden.
Die Kirche wird ihrem Anspruch, Probleme konsensual zu lösen, nicht ansatzweise gerecht.
Wir fordern den Rat der EKD auf,
- § 26 MVG-EKD unverändert zu lassen und
- die Bundeskonferenz der Gesamtausschüsse und Arbeitsgemeinschaften der Mitarbeitervertretungen für die Seite der Arbeitnehmervertretungen der Diakonie gemäß § 55b MVG-EKD an etwaigen Kirchengesetzgebungs- oder – verordnungs-verfahren zu beteiligen.
Im Namen der Gesamtmitarbeitervertretung im Dienststellenverbund der Agaplesion gAG
Torsten Rathje