Vielfache Reformbemühungen von Kirche und Diakonie, aber auch eine schwindende Akzeptanz des kirchlichen Arbeitsrechts sind derzeit zu beobachten.
Im Rahmen der Dialoggespräche zum kirchlichen Arbeitsrecht unter Moderation des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), will die Ampel-Regierung ihre Verabredung im Koalitionsvertrag umsetzen. »Gemeinsam mit den Kirchen prüfen wir, inwiefern das kirchliche Arbeitsrecht dem staatlichen Arbeitsrecht angeglichen werden kann. Verkündungsnahe Tätigkeiten bleiben ausgenommen.« So haben es SPD, Grüne und FDP festgelegt. Am 18. September fand das erste Gespräch mit dem Schwerpunkt des individuellen Arbeitsrechts statt. Am 6. November ging es dann schwerpunktmäßig um die kirchliche Arbeitsrechtssetzung, also um den sogenannten Dritten Weg. Ralf Hubert, vertritt die Bundeskonferenz der Gesamtausschüsse und Arbeitsgemeinschaften der Mitarbeitervertretungen in den Dialoggesprächen. „Da das Ministerium für Arbeit und Soziales nur eine Moderationsrolle übernimmt, weder ein Protokoll geführt noch Öffentlichkeitsarbeit gemacht wird, sind nur kleine Schritte zu erwarten.“ so Ralf Hubert, Vorsitzender der Bundeskonferenz „Der Dritte Weg führt ohne Einwirkung von Dritten nicht zu guten Ergebnissen. Er ist nicht geeignet das strukturelle Ungleichgewicht der Arbeitnehmer:innen gegenüber den Arbeitgebern auszugleichen. Die zunehmende Streikbeteiligung diakonischer Beschäftigter in Tarifrunden im öffentlichen Dienst oder auch die Tarifbewegung im Sophien- und Hufelandklinikum in Weimar zeigen, dass der Dritte Weg, der die Betroffenen strukturell ausschließt, von immer weniger diakonischen Beschäftigten akzeptiert wird. In Niedersachsen und in der Nordkirche sind bereits kirchliche Tarifverträge etabliert.“
Evangelische Kirche und Diakonie sprechen lieber über uns statt mit uns!
Am 8. November fand eine Veranstaltung der evangelischen Kirche in Deutschland und der Diakonie in Berlin unter dem Titel »Konfliktlösungen ohne Kampf – Perspektiven für zukünftige Wege einer kirchengemäßen strukturierten Konfliktlösung« statt. Beschäftigtenvertreter:innen der evangelischen Seite oder der Gewerkschaft ver.di, deren kritische Haltung zum Dritten Weg bekannt ist, waren im Programm nicht vorgesehen. Stattdessen ein ehemaliger Beschäftigtenvertreter aus der Caritas, der ausschließlich im Dritten Weg unterwegs war. Die kritischen Stimmen aus dem Kreis der Referenten wurden verstärkt durch eine starke Präsenz von Interessenvertreter:innen aus der Diakonie und der Bundeskonferenz. „Positiv war, dass von drei Fachreferenten aus unterschiedlichen Blickwinkeln Reformen in der kirchlichen Arbeitsrechtssetzung, dem sogenannten Dritten Weg angemahnt wurden.“ blickt Ralf Hubert auf die Veranstaltung im Haus der EKD zurück. „Als auf dem Podium weder ein Arbeitnehmer aus der Evangelischen Kirche noch der Diakonie geschweige denn der Gewerkschaft ver.di vorgesehen waren, ist mir fast der Kragen geplatzt. Wir erwarten Gespräche mit uns, den Interessenvertreter:innen der diakonischen Beschäftigen – nicht Gespräche über uns.“ Aus den Gesamtausschüssen und AGMAVen hatten sich Kolleg:innen angemeldet und sich in die Debatte eingebracht. Hier ein Bericht von ver.di: Debatte ohne Gegenüber
Diakonische Beschäftigte nehmen es selbst in die Hand
Während die evangelische Kirche und ihre Diakonie offensichtlich am bisherigen Dritten Weg festhalten will, machen sich in Weimar die Beschäftigten auf den Weg und nehmen die Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen selbst in die Hand. „Wir haben in Mitteldeutschland eine ganze Weile versucht über die Arbeitsrechtliche Kommission Verbesserungen durchzusetzen – ohne Erfolg.“ blickt Mathias Korn zurück. „Meine Kolleg:innen nehmen es in meiner Einrichtungen nun selbst in die Hand. Das fühlt sich richtig gut an – diese Entschlossenheit zu spüren. Über 40% der nichtärztlichen Beschäftigten haben sich inzwischen in ver.di organisiert. Und es werden täglich mehr!“ zum Bericht von ver.di: Organisieren für den Tarifvertrag
In der darauffolgenden Woche richtete sich unser Fokus nach Kassel und Ulm während am 13.11. in Ulm die EKD Synode begann, trafen sich am 14. und 15.11. auf der 21. Kassler Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht rund 250 Teilnehmer:innen um die Themen “Digitalisierung” und “Mitbestimmung” zu diskutieren. Digitalisierung, Arbeitszeit, Gesundheitsschutz – die Themen des ersten Tages zeigten erneut den Handlungsbedarf in unseren Betrieben auf. Gesetzlich vorgeschriebene Pausen und Ruhezeiten, die oft nicht eingehalten werden, führen statistisch messbar zu Überforderungsgefühlen, Müdigkeit, Schlafstörungen. Zum Bericht von ver.di: Chancen und Nebenwirkungen
Um in den Betrieben gute Arbeitsbedingungen, unterstützende Digitalisierung und eine gute Dienst- und Freizeitplanung durchzusetzen, braucht es eine starke Mitbestimmung! Mit diesem Thema befassten sich die Kolleg:innen am zweiten Tag der Kassler Fachtagung, die erneut von der Bundeskonferenz der Gesamtausschüsse und Arbeitsgemeinschaften (buko), der Gewerkschaft ver.di und der Zeitschrift Arbeitsrecht und Kirche (AuK) ausgerichtet und durch den Verein dia e.V. organisiert wurde. „Ich kenne kein anderes Gesetz, das mit einer solchen Hektik und Häufigkeit geändert wird, wie das Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche“, sagte der Bremer Rechtsanwalt Bernhard Baumann-Czichon. Kirchliche Sonderregeln seien dort gerechtfertigt, wo dies die Religionsausübung erfordere. „Damit ist aber zugleich auch die Grenze der Abweichung von staatlichem Recht definiert“, so Baumann-Czichon. Weitere Hintergründe und Einschätzungen sind hier zu finden: AGMAV Niedersachsen Bericht und ver.di Bericht Auf der in Ulm tagenden Synode der evangelischen Kirche in Deutschland war die Bundeskonferenz mit einem Stand im Foyer vertreten. Einige Kolleg:innen aus den AGMAVen und Gesamtausschüssen waren auf der Synode dabei und suchten das Gespräch mit den Synodalen. Viele waren für unsere Themen durchaus aufgeschlossen, bei manchen Gesprächen wurde jedoch auch deutlich, dass die Rechte der Beschäftigten wenig im Fokus stehen. Zwei Vertreter:innen der Bundeskonferenz waren auch als Gäste bei der Synode geladen. „Es war gut, so direkt erfahren zu können, wohin sich unsere Kirche entwickeln will. Wir waren allerdings überrascht, in der Synode – auch bei dem uns so wichtigen Gesetzesvorhaben, der Änderung unseres Mitarbeitervertretungsgesetzes – kein Rederecht zu haben. Es gab aber auch einzelne Synodale die sich mit Redebeiträgen und Änderungsanträgen für ein besseres MVG eingesetzt haben“ so die Einschätzung von Sonja Brösamle. Die Synode wurde wegen dem angekündigten Bahnstreik unterbrochen. Die Änderung des MVG-EKD wird nun voraussichtlich am 05.12. in einer digitalen Fortsetzung der Synode in zweiter und dritter Lesung beschlossen. „Es zeichnet sich aber jetzt schon ab, am Ende der X-ten Reform wird das MVG weiterhin hinter der weltlichen Mitbestimmung zurückbleiben.“ schätzt Daniel Wenk die aktuelle Beschlussvorlage zur MVG Novelle ein. „Deshalb fordern wir weiter: Es müssen für uns die gleichen Rechte gelten und wenn die Kirche es nicht schafft, das MVG entsprechend auszugestalten, braucht es eine Änderung im Betriebsverfassungsgesetz durch den Bundestag. Mit der Initiative gleiches Recht für kirchliche Beschäftigte fordern deshalb ver.di Aktive eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes“ fährt Daniel Wenk fort. Der Veränderungsdruck ist hoch, denn das kirchliche Arbeitsrecht wird von den Beschäftigten immer weniger akzeptiert. Deshalb bleiben die ver.di Aktive dran – denn kirchlich Beschäftigte haben gleiche Rechte verdient! Zur Petition geht es hier: gleichesrecht.verdi