Stellungnahme der Bundeskonferenz zur Änderung des § 26 MVG-EKD (Beschlussfassung der MAV in Videokonferenzen). Die Bundeskonferenz lehnt die geplante Änderung ab, wir halten die Gesetzesänderung weder für hilfreich noch für notwendig.
Obwohl einzelne Mitarbeitervertretungen (s.u. „Offener Brief zur Änderung des Mitarbeitervertretungsgesetzes durch gesetzesvertretende Verordnung“) und auch die Bundeskonferenz sich dagegen aussprachen hat der Rat der EKD am 11.09.20 mittels gesetzgebender Verordnung eine Änderung des Paragrafen 26 Abs. 2 MVG beschlossen. Den Mitarbeitervertretungen soll es möglich sein, Sitzungen per Videokonferenz abzuhalten. Die Meinung der betroffenen Mitarbeitervertretungen selbst wurde dabei ignoriert.
Stellungnahme der Bundeskonferenz
Eine Änderung des Mitarbeitervertretungsgesetz § 26 durch die gesetzliche Verankerung der Möglichkeit MAV-Sitzungen in Form von Videokonferenzen durchzuführen wird von der Bundeskonferenz abgelehnt.
Begründung:
Die Gesetzesänderung ist weder hilfreich noch notwendig.
Zum jetzigen Zeitpunkt und auch für die Zukunft ist die Änderung schlicht überflüssig. Im § 26 (2) Satz 3 MVG-EKD besteht schon jetzt die Möglichkeit, Beschlüsse im Umlaufverfahren oder durch fernmündliche Absprachen zu fassen. Für dieses Verfahren hat der kirchliche Gesetzgeber aber die Hürde ziemlich hochgelegt. So muss dieses Verfahren in der Geschäftsordnung der MAV verankert sein und die Beschlüsse müssen einstimmig gefasst werden. Die erste Hürde stellte während des „Lockdowns“ ein Problem dar. Viele MAVen hatten gar keine Geschäftsordnung oder das mögliche Verfahren ohne Präsenzsitzung aus guten Gründen nicht vereinbart.
Aufgrund der aktuellen Infektionslage können jetzt wieder Präsenzsitzungen stattfinden. Jede MAV kann nun eine entsprechende Geschäftsordnung beschließen. In dieser kann festgelegt werden, ob das entsprechende Verfahren zur Beschlussfassung im Umlaufverfahren oder mittels fernmündlicher Absprachen dauerhaft oder nur unter Pandemiebedingungen, zur Anwendung kommen soll.
Die vorgegebene Einstimmigkeit bei der Beschlussfassung ist richtig und verdeutlicht den Ausnahmecharakter der Regelung.
Die Änderung im Betriebsverfassungsgesetz bzw. im Personalvertretungsgesetz hingegen war zwingend notwendig, da Betriebs- und Personalräte diese Möglichkeit nicht hatten. Die von Bundestag und -rat im Mai 2020 beschlossene Änderung zur Beschlussfassung mittels Telefonoder Videokonferenz gilt jedoch nur für die Zeit der Pandemie und ist befristet bis zum 31.12.2020.
Ab den 01.01.2021 müssen Beschlüsse nach BetrVG wieder in einer Präsenzsitzung gefasst werden. Auch die Regelung im BPersVG ist befristet.
Die Änderung im MVG-EKD soll aber dauerhaft gelten. Damit würde die Beschlussfassung durch eine Videokonferenz der in einer Präsenzsitzung gleichgestellt. Aus Sicht der Bundeskonferenz können MAV-Sitzungen per Videokonferenz niemals eine Präsenzsitzung ersetzen. Viele der nonverbalen Äußerungen und Interaktionen würden in den Redebeiträgen wegfallen. Des
Weiteren ist es auch nicht möglich, in schwierigen Fällen die sehr wichtigen Nebengespräche zur Willensbildung zu führen. Zwangsläufig könnten sich die MAV-Mitglieder viel weniger mit den einzelnen Sachverhalten auseinandersetzten. In der Konsequenz würde die Qualität der Beschlüsse leiden.
Das kann nicht im Willen des Gesetzgebers sein, noch ist es der Wille der MAV Gremien. Die gute Arbeit der Mitarbeitervertretungen lebt gerade von den intensiven Diskussionsprozessen in den Sitzungen.
Die Möglichkeit, dass der Wiederspruch eines einzelnen oder mehrerer MAV Mitglieder
ausreicht, um eine Sitzung per Videokonferenz zu verhindern ist praxisfern. In der Realität wird es für den Einzelnen schwer sein, dem Druck des Arbeitgebers oder unter Umständen auch der Kolleg*innen nach dem Format einer Videokonferenz standzuhalten.
Telefonkonferenzen (Videokonferenzen) müssen weiterhin die Ausnahme bleiben und die Hürden des § 26 (2) müssen weiter Bestand haben. Verschwiegenheit und Datenschutz ist für die MAV Arbeit ein wichtiges Kriterium. Insbesondere
bei der Behandlung personeller Anträge fallen personenbezogene Daten an, die es zu schützen gilt. Der Gesetzesentwurf verlangt, dass sicherzustellen wäre, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Nach § 22 (3) ist die MAV für die Einhaltung des Datenschutzes in ihrem Bereich verantwortlich. In der Regel hat die MAV aber keinen Einfluss auf die dienststellenübliche Ausstattung der EDV. Sie nutzt die ihr zur Verfügung gestellte Hard- und Software. Der Datenschutzbeauftrage der EKD hat an eine rechtskonforme Durchführung einer Videokonferenz hinsichtlich des DSG-EKD hohe Anforderungen gestellt, die in den Einrichtungen oft faktisch unmöglich sind.
Eine Abfrage bei einzelnen MAVen hat ergeben, dass so gut wie keiner MAV die technische und räumliche Ausstattung für alle MAV Mitglieder zur Verfügung steht, um eine Sitzung unter den vom Gesetz geforderten Bedingungen für Videokonferenzen, durchzuführen. Ein Einsatz von Privatgeräten, die oft vorhanden sind um an Videokonferenzen teilzunehmen, ist aus datenschutzrechtlicher Sicht für die MAV-Arbeit verboten. Hierzu hat das LAG Berlin-Brandenburg am 24.08.2020 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (LAG, Beschl. v. 24.8.2020, Az. 12 TaBVGa 1015/20) ein erstes Urteil gesprochen.
Fazit:
Die oben ausgeführten Punkte führen dazu, dass die Bundekonferenz die geplante Verordnung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland zur 3. Änderung des Mitarbeitervertretungsgesetzes der EKD für unnötig und schädlich hält und daher den Rat der EKD auffordert, von einer gesetzesvertretenden Verordnung zur Änderung des § 26 MVG-EKD Abstand zu nehmen.
Diese Stellungnahme ist öffentlich und kann an interessierte Personen und Interessenverbände weitergegeben werden.
Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.