In den vergangenen Wochen haben sich die Gesamtausschüsse und Arbeitsgemeinschaften der Mitarbeitervertretungen mit dem Entwurf der „Richtlinie des Rates über Anforderungen an die berufliche Mitarbeit in der Ev. Kirche in Deutschland und ihrer Diakonie“ befasst. In der Vollversammlung am 11.05.2023 haben die Delegierten darüber hinaus eine Stellungnahme einer von uns beauftragten Anwaltskanzlei zur Richtlinie zur Kenntnis genommen.
Die Bundeskonferenz der Gesamtausschüsse und Arbeitsgemeinschaften nimmt hiermit zu dem oben genannten Entwurf der Richtlinie wie folgt Stellung.
Anhand der folgenden aufgeführten Punkte verdeutlichen wir, warum die Richtlinie nicht bzw. nicht in der vorliegenden Fassung verabschiedet werden sollte.
- Die Bundeskonferenz begrüßt grundsätzlich die weitere Öffnung der Anforderungen an die berufliche Mitarbeit in der Ev. Kirche in Deutschland und ihrer Diakonie. Dem Entwurf fehlt jedoch die Herleitung aus dem religiösen Ethos und wird daher den Anforderungen der Rechtsprechung nicht gerecht. Die Richtlinie ist so für den Bereich der Diakonie nicht
vertretbar. - Grundsätzlich gilt, dass die Parteien des Arbeitsverhältnisses gehalten sind, auf die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des jeweils anderen Vertragspartners Rücksicht zu nehmen. Diese Grundsätzlichkeit ist aus Sicht der Bundeskonferenz für diakonische Unternehmen ausreichend. Auch von Beschäftigten im öffentlichen Dienst wird ein loyales Verhalten erwartet, ohne dass es einer Richtlinie bedarf. Die Beschäftigten schulden ein solches Maß an Loyalität, welches für die konkrete Tätigkeit unverzichtbar ist. Auf erhöhte Anforderungen an Mitarbeitende der Diakonie, die auch noch mit der Drohung einer Kündigung versehen sind, sollte aus Sicht der Bundeskonferenz verzichtet werden.
- In den diakonischen Einrichtungen und Unternehmen der Diakonie sind die Klient:innen, die zu betreuenden und ratsuchenden Menschen vielfältig und haben unterschiedliche religiöse und weltanschauliche Prägungen. Genauso vielfältig sollten auch die Mitarbeiter:innen dieser diakonischen Einrichtungen und Unternehmen sein. Nicht nur aufgrund des zunehmenden Personalmangels oder weil die Rechtsprechung eine Anpassung der Richtlinie erzwingt, sondern aus religiösem Selbstverständnis heraus sollte auf eine
formale Richtlinie verzichtet werden. Die Haltung und Handlung der Beschäftigten der Diakonie ist entscheidender als die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche. Der diakonische Dienst geschieht im Auftrag Jesu Christi und alle, die sich zu diesem Dienst bereitfindet, sollten Mitarbeiter:innen mit gleichen Rechten und Pflichten sein. Es reicht aus, wenn signalisiert wird, dass es Wünschenswert ist, Mitglied der Ev. Kirche zu sein. - Problematisch aus Sicht der Bundeskonferenz ist der Begriff der Dienstgemeinschaft. Erneut wird die Gelegenheit nicht genutzt, sich von dem umstrittenen und in der Zeit des Nationalsozialismus geprägten Begriffes der Dienstgemeinschaft zu lösen. Sollte die EKD an der Richtlinie zur Regelung der Anforderung an die berufliche Mitarbeit in der Ev. Kirche in Deutschland und ihrer Diakonie festhalten wollen, muss der Begriff aus unserer Sicht gestrichen, mindestens aber konkretisiert werden. Unsere Rechtsauskunft weist zudem darauf hin, dass die Verwendung des Begriffes in dem Richtlinienentwurf sich auf juristische Personen wie Vereine, Stiftungen, GmbHs und Aktiengesellschaften bezieht und damit signifikant von der Verwendung des Begriffes in der Präambel des MVG-EKD abweicht. Durch den Bezug auf juristische Personen reduziert die Richtlinie die Bedeutung auf ein reines Rechtsverhältnis. Es liegt somit nahe, dass die sich aus dem Begriff ergebenden Vorteile in der Rechtsprechung wichtiger erscheinen, als die Korrektur der daraus resultierenden politischen und ethischen Haltung. Ein weiterer Grund sich von dem Begriff zu lösen.
- Im Weiteren ist dem Entwurf zu entnehmen, dass nun die Anstellungsträger, die Anforderungen festzulegen haben. Sie sollen zukünftig entscheiden, welche Mitarbeiter:innen der Kirche angehören müssen und welche nicht. Es ist zu befürchten, dass es in Zukunft in diakonischen Einrichtungen zweierlei Gruppen von Arbeitnehmer:innen geben wird. Die, in deren Stellenbeschreibung die Tätigkeit „Verantwortlich für das diakonische Profil“ aufgenommen ist und die somit evangelischen Glaubens sein müssen und die, die nur mitarbeiten müssen. Dies wird aus unserer Sicht in den diakonischen Einrichtungen zu umfangreichen Erörterungen mit den Mitarbeitervertretungen führen. Zudem ist es nach unserer Rechtsauskunft fraglich, ob eine derartige Festlegung noch als Wahrnehmung der, der Landeskirche zustehende Rechte aus Art. 140 GG, angesehen werden kann. Es obliegt – allein – der Landeskirche, deren religiösen Ethos festzulegen. Einrichtungen der Kirche und Diakonie können dieses übernehmen, oder werden ggf. auch satzungsgemäß dazu verpflichtet. Ein eigenes religiöses Ethos begründen, steht diesen Einrichtungen jedoch nicht zu.
- Die Bundeskonferenz nimmt zustimmend zur Kenntnis, dass die Dienststellenleitungen die Aufgabe haben, ihre Dienststellen und Einrichtungen dem kirchlichen Auftrag gemäß zu gestalten. Der Anstellungsträger soll seinen Mitarbeiter:innen die christlichen Grundsätze ihrer Arbeit vermitteln und die Auseinandersetzung mit den Themen des christlichen Glaubens fördern. Konkreten Handlungsvorgaben für die Anstellungsträger sind jedoch nicht weiter ausgeführt. Aus unserer Sicht ist es die Aufgabe des Anstellungsträgers durch Offenheit und Glaubwürdigkeit Menschen für die Diakonie zu gewinnen. Dies kann gelingen, wenn Diakonie Tag für Tag als eine gute Arbeitgeberin erlebt wird. Die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung bei Kirchenaustritt jedenfalls trägt nicht dazu bei. Eine glaubwürdige Diakonie zeichnet sich insbesondere durch einen guten Umgang miteinander, faire und gerechte Arbeitsbedingungen, eine Kultur der Partizipation und Transparenz von Entscheidungsprozessen aus und nicht durch das Festhalten an Formalitäten. Wenn alle Verantwortlichen im Sinne des christlichen und humanitären Gedankens auch innerbetrieblich handeln würden, würden vermutlich weniger Mitarbeiter:innen, die Mitglied einer Kirche sind, aus dieser austreten wollen.
Wir gehen davon aus, dass Sie die Inhalte dieser Stellungnahme im weiteren Verfahren berücksichtigen werden.