in § 38 Abs. 1 MVG.EKD, auf Antrag der Mitarbeitervertretung oder der Dienststellenleitung die Entscheidungskompetenz in Regelungsfragen (§ 40) der Einigungsstelle zu übertragen. Damit wird der Forderung der Präses der Synode ein Stück weit entsprochen, nämlich nur dort von staatlichem Recht abzuweichen, wo dies aus Gründen des evangelischen Glaubens zwingend ist.
Die nähere Ausgestaltung begegnet allerdings Bedenken:
1. Anrufung und Bildung der Einigungsstelle
Das Mitbestimmungsverfahren wird gem. § 38 Abs. 2 MVG.EKD notwendigerweise durch den an die Mitarbeitervertretung zur richtenden Antrag der Dienststellenleitung eingeleitet. Nach § 38 Abs. 1 i.V.m Abs. 4 MVG.EKD entscheidet im Falle der Nichteinigung das Kirchengericht oder wenn eine solche besteht die Einigungsstelle. Die Einigungsstelle „besteht“ im Sinne von § 38 Abs. 4, wenn die Mitarbeitervertretung oder die Dienststelle deren Bildung beantragt haben, § 36a Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD. Zur Bildung der Einigungsstelle gehört nicht mehr die Verständigung auf die Person des/der Vorsitzenden. Denn die Verständigung auf die Person des ständigen Vorsitzenden (unabhängig vom Gegenstand der Regelungsstreitigkeit) bleibt der Bildung einer ständigen Einigungsstelle durch Dienstvereinbarung nach § 36a Abs. 1 Satz 2 vorbehalten.
Vor diesem Hintergrund bleibt zu fragen, welche Funktion die Gesamtmitarbeitervertretung bei der „Bildung von Einigungsstellen“ haben soll.
Ist etwa unter der Bildung der Einigungsstelle im Sinne von § 36a Abs. 1 Satz 1 etwas anderes zu verstehen als unter der Bildung nach Satz 3? Aber was?
2. Kein Fristenregime für die Anrufung der Einigungsstelle
Nach § 38 Abs. 3 MVG.EKD gilt die Zustimmung der Mitarbeitervertretung als erteilt, sofern diese nicht binnen 14 Tagen die Zustimmung schriftlich begründet verweigert oder mündliche Erörterung beantragt. Im Falle der mündlichen Erörterung tritt die Zustimmungsfiktion wiederum ein, wenn die Mitarbeitervertretung nach Beendigung der mündlichen Erörterung nicht binnen weiterer 14 Tage das Festhalten an ihren Bedenken schriftlich begründet.
Im Falle der Nichteinigung kann die Dienststellenleitung das Kirchengericht fristgebunden innerhalb von 14 Tagen anrufen. Anderenfalls kommt eine Zustimmungsersetzung durch das Kirchengericht nicht mehr in Betracht. Die Anrufung des Kirchengerichts ist nach § 38 Abs. 4 ausgeschlossen, wenn eine Einigungsstelle besteht. Diese kann im Falle der Nichteinigung sowohl von der Dienstellenleitung als auch der Mitarbeitervertretung angerufen werden.
Unklar ist, wann ein Antrag auf Bildung der Einigungsstelle nach § 36a Abs. 1 Satz 1 gestellt sein muss. Muss die Einigungsstelle bereits bei Zugang des Antrags gem. § 38 Abs. 2 gebildet worden sein, kann z.B. die Mitarbeitervertretung während des Laufs ihrer Stellungnahmefrist nach § 38 Abs. 3 die Bildung der Einigungsstelle nach § 36a Abs. 1 Satz 1 beantragen oder während der 14tätigen Frist zur Anrufung des Kirchengerichts durch die Dienststellenleitung nach § 38 Abs. 4?
Für die Anrufung der Einigungsstelle gilt eine Frist von 14 Tagen „nach festgestellter Nichteinigung“. Da diese Fristbestimmung sich an das bisherige Fristenregime des § 38 Abs. 3 anschließt, muss davon ausgegangen werden, dass die Nichteinigung durch Zugang der schriftlich begründeten Zustimmungsverweigerung durch die Mitarbeitervertretung oder im Falle der mündlichen Erörterung mit Zugang der Begründung für das Festhalten an den Einwänden festgestellt ist.
Damit wird ein wesentlicher Vorteil der Konfliktregelung durch die Einigungsstelle verspielt, nämlich die Möglichkeit sehr viel schneller als im kirchengerichtlichen Ersetzungsverfahren eine Entscheidung zu bekommen. Das dient weder den Interessen der Mitarbeiterschaft noch denen der Dienststelle bzw. Dienststellenleitung.
3. Alleinzuständigkeit der Einigungsstelle bei Regelungsstreitigkeiten
Wir regen daher an, zumindest das Mitbestimmungsverfahren getrennt zu regeln je nachdem ob die Einigungsstelle oder das Kirchengericht zur Entscheidung berufen sein soll. Sinnvoller hingegen erscheint es uns, die Zuständigkeit des Kirchengerichts auf Rechtsstreitigkeiten zu beschränken und Regelungsstreitigkeiten (ausschließlich) der Einigungsstelle zu zuweisen. In diesem Falle ließen sich die Verfahrensregelungen wie folgt zusammenfassen:
Im Falle der Nichteinigung entscheidet die Einigungsstelle.
Nachdem die Synode erkannt hat, dass die Einigungsstelle das geeignete Mittel zur Konfliktschlichtung in Regelungsfragen (Wie soll etwas in der Einrichtung geregelt werden?) ist, ist nicht nachvollziehbar, warum dann doch noch die Möglichkeit der Anrufung des Kirchengerichts weiterhin gegeben sein soll. Für ein solches Mitbestimmungsverfahren 2. Klasse gibt es kein sachliches Bedürfnis. Insbesondere sind hierfür keine Gründe des evangelischen Glaubens erkennbar.
4. Entscheidungsbefugnis der Einigungsstelle auch bei Initiativen der Mitarbeitervertretung
Mitbestimmung bedeutet, dass (nur) in den mitbestimmungspflichten Fragen beide Seite gleichgewichtigen Einfluss auf die Entscheidungsfindung haben. Deshalb unterscheidet das Betriebsverfassungsgesetz nicht zwischen Initiativen des Arbeitgebers (Dienststellenleitung) und des Betriebsrates (Mitarbeitervertretung). Kommt es nicht zu einer Einigung, entscheidet in beiden Fällen die Einigungsstelle und trifft eine Regelung. Obwohl das kirchliche Arbeitsrecht durch das Leitbild der Dienstgemeinschaft und damit der gemeinsamen Verantwortung (vgl. auch § 35 Abs. 1 Satz 2 MVG.EKD) von Dienststellenleitung und Mitarbeitervertretung geprägt ist, kann die Einigungsstelle bei Initiativen der Mitarbeitervertretung lediglich einen Vermittlungsvorschlag unterbreiten. Diese gewaltige Unterschreitung des staatlichen Mitbestimmungsniveaus ist nicht nur nicht durch Gründe des evangelischen Glaubens gerechtfertigt, sie widerspricht dem immer wieder als tragend dargestellten Leitbild.
5. Spielraum bei der Ausgestaltung der Einigungsstelle
Die Festlegung auf je zwei Beisitzer ist zu eng. Hier muss den Beteiligten ein Spielraum eingeräumt werden, der auch die sachgerechte Bewältigung komplexer Themen wie die Regelung der Einführung elektronischer Dienstplanprogramme in Verbindung mit Fragen des Arbeitszeitrechts und der Dienstplanung ermöglicht. Dem Interesse an Kostenschonung kann hinreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass eine Obergrenze von z.B. je fünf Beisitzern festgelegt wird und im Übrigen im Falle der Nichteinigung das Kirchengericht wie über die Person des Vorsitzenden auch über die Zahl der Beisitzer zu entscheiden hat.
Die Begrenzung auf je zwei Beisitzer wird nicht etwa anwaltliche Berater ausgrenzen. Sie wird vielmehr dazu führen, dass die Beisitzer sich anwaltlichen Beistandes in der Einigungsstelle bedienen, statt diese Berater als Beisitzer zu benennen.
6. Sachgerechte Kostenregelung
Die von der EKD zu erlassende Rechtsverordnung zur Regelung der Entschädigung der Mitglieder der Einigungsstelle darf nicht allein dem Interesse an Kostenschonung folgen. Vielmehr ist sicherzustellen, dass die Entschädigungsregelungen es der Mitarbeitervertretung ermöglichen, sich qualifizierten Sachverstandes zu bedienen. Das ist erforderlich, um in den Verhandlungen in der Einigungsstelle schnell zu sachgerechten Ergebnissen zu kommen. Und außerdem ist auch hier zu berücksichtigen, dass sich die Dienststellenleitung jederzeit unbegrenzt sachliche Unterstützung verschaffen kann. Die Idee der vertrauensvollen und gleichgewichtigen Zusammenarbeit in der Dienststelle und damit auch in der Einigungsstelle setzt auch in fachlicher Hinsicht Verhandlungen auf Augenhöhe voraus.
Auch in der Frage der Entschädigung von Vorsitzenden von Einigungsstellen und den externen Beisitzern wird sich zeigen, ob die evangelische Kirche – endlich – einen mit dem staatlichen Betriebsverfassungsgesetz gleichwertigen Standard ermöglicht.
Die Bundeskonferenz bittet die Synode der EKD noch vor Inkrafttreten der Regelungen über die Einigungsstelle Änderungen zu beschließen, damit die Einigungsstelle ihre befriedende Rolle erfüllen kann:
- Kein Fristenregime bei der Einigungsstelle
- Alleinzuständigkeit der Einigungsstelle bei Regelungsstreitigkeiten
- Entscheidungsbefugnis der Einigungsstelle auch bei Initiativen der Mitarbeitervertretung
- Besetzung der Einigungsstelle nach den Erforderlichkeiten der zu entscheidenden Thematik
Den Rat der EKD bitten wir die Rechtsverordnung zur Regelung der Entschädigung der Mitglieder der Einigungsstelle so zu gestalten, dass es möglich ist, qualifizierte Vorsitzende zu finden, damit ein dem Betriebsverfassungsgesetz gleichwertiger Standard erreicht wird.
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